Noch eine Partei der Mitte braucht kein Mensch
Schwarz-Grün kann die Grünen Kopf und Kragen kosten. Das Hohngelächter wird groß sein im linken Lager – bis ihm dämmert, dass die einzige reale Hoffnung auf Veränderung verspielt ist.
Schwarz-Grün kann die Grünen Kopf und Kragen kosten. Das Hohngelächter wird groß sein im linken Lager – bis ihm dämmert, dass die einzige reale Hoffnung auf Veränderung verspielt ist.
Die Erde hat sich weitergedreht, eine neue Generation ist nachgewachsen – alle zwei Jahrzehnte muss eine Partei ihren Kompass neu justieren, so auch Bündnis 90/Die Grünen. Nach dem „Saarbrücker Programm“ von 1980, dem „Grundkonsens“ von (West-) Grünen und ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern von 1993 und dem „Grundsatzprogramm“ von 2002 wurde nun das neueste verabschiedet und als Ausweis beim Bundeswahleiter hinterlegt.
„Wunderbar“, dachte ich, als ich wie jeden Morgen t-online las, „meine Parteivorsitzenden schreiben eine kritische Würdigung der Wiedervereinigung“. Vieles fand ich an Eurer Einschätzung zunächst richtig. Allerdings fielen mir dann ein gravierender Fehler und ein Widerspruch auf, die dem Text letztlich einen schalen Beigeschmack geben.
Sie waren einmal die dritte politische Kraft: unangepasst, provokativ, mit radikalen Ideen zur Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Eine Partei von modernisierungskritischen Modernisierern, EU-skeptischen Pro-Europäern, antikapitalistischen Marktwirtschaftlern und sozialökologischen Globalisierungsgegnern, die auf unorthodoxe und undogmatische Weise …
Wir brauchen wieder eine antikapitalistische Linke, die eine „ganzheitliche Sicht“ auf die Ausbeutung von Mensch und Natur hat. Ohne Strategie gegen den Turbokapitalismus gibt es keine wirkliche Ökologie.
(Co-Autorin Antje Vollmer) Es war eine steile, mit sich überschlagender Stimme vorgetragene These von Anton Hofreiter, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen: „Wir sind jetzt die einzige Partei links der Mitte, verdammt noch mal!“ Sie traf das Gefühl und die Sehnsucht der Delegierten auf dem Nach-Jamaika-Parteitag, sie wurde geradezu gefeiert. Aber sie war und ist Selbstbetrug.
Die pauschalisierte Kritik an den Ökosozialisten übernimmt Klischees der kleinen Gruppe prominenter Bürgerrechtler, deren Alleinvertretungsanspruch für die DDR-Opposition Sie selbst zu Recht infrage stellen.
Wollt Ihr siegen oder Frieden?
Rigorose Programme zu verfassen und dazu zu stehen, ist die eine Sache. Wenn man aber als Bürgermeister, Ministerpräsident oder Parlamentarier Entscheidungen treffen muss, ist das etwas anderes. Zwischen beiden Ebenen gibt es ein Spannungsverhältnis. Dieses müssen die einzelnen Personen in sich selbst aushalten.
Stagnation bei den Grünen? Generationenwechsel misslungen? Berauschend ist das Europawahlergebnis nicht, doch kein Anlass für Zerknirschung. Eher wirken die Grünen in der neuen Unübersichtlichkeit der Parteienlandschaft als stabiles Element. Vielleicht zu stabil. Etwas behäbig.