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(Vortrag zur Eröffnung der gleichnamigen Tagung, Petersberg bei Bonn, 31.Oktober 2000, bisher unveröffentlicht)

Frieden und Entwicklung bedingen einander. Interne und externe Konfliktprävention, Vermeidung regionaler Rüstungswettläufe, aber auch Konfliktnachsorge und Förderung regionaler Zusammenarbeit sowie Vertrauensbildung sind notwendige Bausteine einer Strategie nachhaltiger Entwicklung. Umgekehrt muss gefragt werden: was und wie kann Entwicklungszusam­menarbeit zu den Zielen der Konfliktbewältigung und der Prävention neuer Konflikte bei­tragen. „Entwicklung und Abrüstung“ ist angesichts zahlreicher bewaff­neter Konflikte weltweit, der Anhäufung von leicht verfügbaren Waffen und der regiona­len Aufrüstungen ein drängendes globales Thema.

Die Bundesregierung hat sich ausdrücklich dazu bekannt, die Außenbeziehungen unseres Landes in den Dienst der globalen Zukunftssicherung zu stellen. Dies ist zunächst eine Aufgabe, die wir uns selbst gesetzt haben, von der wir aber wissen, dass sie nicht „das Projekt eines Landes“ sein kann. Diese globale Aufgabenstellung bedarf eines Konsenses mit unseren Partnern – in den Industrieländern und in den Entwicklungs­ländern – weltweit. Andererseits können wir unsere Vorstellungen nur voranbringen, wenn wir durch konkrete Initiativen zeigen, dass wir auch selbst zum Handeln bereit sind

Wir haben in den beiden Jahren seit der Regierungsübernahme auf diesem Gebiet einiges erreicht und Instrumente der zivilen Krisenprävention geschaffen. Ausgangspunkt und Grundlage dieser Politik ist das Gesamtkonzept zur „Zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“, das unter Federführung des Auswärtigen Amts entwickelt wurde. Es legt eine politische Gesamtstrategie der Bundesregierung für den Bereich der Krisenprävention und Konfliktbewältigung fest, die auch nichtstaatliche Akteure (NRO, Wirtschaft, Kirchen) eng mit einbeziehen will. Dieses Gesamtkonzept geht von einem integrativen Ansatz aus, in dem alle Politikfelder aufeinander abgestimmt sind. Bei der auf die jeweilige Situation zugeschnittenen politi­schen Gesamtstrategie kommt es daher darauf an, dass Instrumente der Außen-, Sicherheits- Entwicklungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Umwelt-, Kultur- und Rechtspolitik verzahnt sind. Einzelfallbezogene Strategien hierzu werden vom Auswärtigen Amt mit den anderen Mi­nisterien für die Bundesregierung erarbeitet.

Teil dieser Strategie, die Grüne und SPD seinerzeit bereits im Koalitionsvertrag festgelegt haben, ist die Schaffung eines Qualifizierungsangebots für ziviles Friedenspersonal. Das Auswärtige Amt hat bereits im Juli 1999 in seiner Ausbildungsstätte in Bonn hierfür ein Ausbildungszentrum geschaffen, wo bisher über 250 Teilnehmer an insgesamt 15 verschiedenen Kursen teilgenommen haben. Rund 60 von ihnen sind schon im Einsatz in Missionen der OSZE und der VN. Die meisten von ihnen auf dem Balkan, einige aber z.B. auch in Tschetschenien und Tadschikistan.

Mit den Vorbereitungskursen wollen wir Schritt für Schritt eine Personalreserve von qualifizierten Fachleuten aufbauen, auf die VN, OSZE und künftig auch die EU bei Bedarf kurzfristig für den Einsatz in Friedensmissionen zurückgreifen können. Das Projekt ist im Sinne einer „public-private partnership“ offen angelegt und bezieht u.a. in einer „Projektgruppe ziviles Friedenspersonal“, die das Auswärtige Amt bei der Weiterentwicklung des Vorbereitungsprogramms berät, eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen ein. Auch der Koordinator für die Vorbereitung von zivilem Personal wurde aus dem Kreis der deutschen Nichtregierungsorganisationen ausgewählt.

Wir leisten damit einen konkreten Beitrag zur Stärkung der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung und wollen künftig noch mehr hierfür tun. Mit der „Aktion ziviles Friedenspersonal“ wird das Auswärtige Amt seine Bemühungen um den Aufbau eines Expertenpools verstärken und insbesondere hochqualifizierte Experten in Bereichen wie Kommunalverwaltung und Justizwesen für den Personalpool zu gewinnen suchen.

 Wir wollen Prozesse ziviler Konfliktregelung aber nicht nur mit deutschem Personal, sondern auch mit zusätzlichem Geld für friedensfördernde Projekte stärken. Das Auswärtige Amt stellt für internationale Maßnahmen der Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung in diesem Jahr erhebliche zusätzliche Mittel bereit. Allein in diesem Jahr sind es 28,6 Mio. DM, die hierfür zur Verfügung stehen, und wir hoffen, dass der Bundestag im Zuge der noch laufenden Haushaltsverhandlungen auch im nächsten Jahr Finanzmittel in dieser Höhe zur Verfügung stellt. Die Mittel wurden z.B. genutzt um Kongress-, Reise- und Hotelkosten für die Beteiligten am Burundi-Friedensprozess zu finanzieren. Ohne diese Hilfe hätte dieser wichtige Ansatz der Prävention kaum stattfinden können.

Ein weiterer Aspekt, der besonders auf langfristige Zukunftssicherung angelegt ist und dem Leitbild ei­ner globalen nachhaltigen Entwicklung folgt ist der einer globalen Struk­turpolitik. Die Bundesregierung kann nach zwei Jahren darauf verweisen, dass ihren Absichten Taten auf verschiedenen Feldern gefolgt sind.

  • Der deutsche Vorsitz beim G7/8 Gipfel in Köln konnte genutzt werden, die erweiterte Entschuldungsinitiative für die ärmsten hochverschuldeten EL (HIPC) auf den Weg zu bringen mit dem Ziel, diese Länder aus der Schuldenfalle zu befreien. Es ist gelungen, operativ das Prinzip der Beteiligung der Bevölkerung bei Umsetzung der Entschuldungsinitiative festzuschreiben.
  • Wir haben innerhalb der internationalen EZ eine deutliche Fokussierung auf die Armutsbekämpfung Ein wesentlicher Schritt, um im Konsens nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. Dies stellt insbesondere bei den Bretton-Woods-Institutionen (einschließlich IWF) einen beachtlichen Paradigmenwechsel dar.
  • Globale Strukturpolitik ist ohne Mitwirkung der Privatwirtschaft nicht denkbar: Dyna­mik und Knowhow der Privatwirtschaft und schließlich ihre Kapitalkraft sind unab­dingbare Voraussetzungen, um partnerschaftlich zu erreichen, dass aus der wirtschaftli­chen Globalisierung auch echte Chancen für die Entwicklungsländer erwachsen.
  • Menschenrechtsgesichtspunkte wurden nicht nur mit der Ernennung eines Beauftragten für Men­schenrechte im Auswärtigen Amt prozedural und institutionell deutlich besser verankert. Die Thematisierung von Menschenrechtsfragen und der Dialog mit Menschenrechtsgruppen gehören zum Standard u.a. bei meinen Auslandsreisen.

Für diese Überlegungen gilt es, auf allen Ebenen und beständig für Akzeptanz zu werben. Dies geschieht: allen Ländern gegenüber weisen wir nachdrücklich darauf hin, dass Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit die besten Garantien für ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit und die Überwindung der Armut sind. Die Welt braucht offene, plurale Gesellschaften, braucht Me­dienfreiheit und Toleranz. Das gilt auch für unser Land.

Neben der multilateralen Ebene gilt es auch im bilateralen politischen Dialog zu verdeut­lichen, welchen Rang für uns Menschenrechte, die Öffnung und Solidarität in einer Gesell­schaft haben und dass wir bereit sind, hierzu auch konkrete Hilfestellung zu leisten. Bei­spiele verdeutlichen allerdings, wie wichtig letztlich die länderspezifischen Parameter sind.

Einige Beispiele von Konfliktländern und Regionen sollen uns die Vielschichtigkeit der Probleme aufzeigen:

Der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo und die Konflikte im Gebiet der großen Seen zeigen, dass im Einzelfall eine genaue Unterscheidung zwischen internem Konflikt und Regionalkonflikt gar nicht mehr möglich ist, sondern hier sehr schnell ein unentwirr­bares Knäuel wechselseitiger Abhängigkeiten entsteht. Das Lusaka-Abkommen -also ein regionaler Ansatz – erscheint uns als bestmöglicher Konsens und ohne Alternative.

Ein weiterer Problemlösungsansatz zielt darauf, die Finanzierung des Konflikts innerhalb des Landes einzudämmen. Wir haben im VN-Rahmen Schritte unterstützt, durch ein Ex­pertenpanel die illegale Ausbeutung von und den illegalen Handel mit Rohstoffen untersu­chen zu lassen. Zudem muss Ländern, deren Truppen tief im Kongobecken stehen, deutlich gemacht werden, dass mit ihren militärischen Abenteuern ihre von uns geleistete Entwicklungshilfe aufs Spiel setzen.

Auch im westafrikanischen Sierra Leone schockiert neben dem Einsatz von Kindersolda­ten und der systematischen Verstümmelung von Menschen besonders, dass es gerade der potenzielle Reichtum – die relativ leicht zugänglichen Vorkommen von Rohdiamanten – ist, der diesem Land zum Verhängnis wurde. Für uns ist kein ideologisches oder politisches Anliegen ersichtlich, das als wesentlicher Antrieb für die Gewalt im Lande angesehen wer­den kann. Es ist die reine Gier einiger weniger nach dem schnellen Profit aus der Aus­beutung der reichen Diamantenvorkommen, die diesen Konflikt weiter antreibt. „Diaman­ten – Stabilitätsrisiko durch Ressourcenreichtum bei schwacher Staatlichkeit, unter die­sem Thema haben wir vor kurzem mit dem Planungsstab des Auswärtigen Amts diese Fra­gestellung diskutiert.

Besonders nachdrücklich zeigt sich der Zusammenhang zwischen Krieg und Hunger im jahrzehntelangen Bürgerkrieg des Sudan. Angriffe beider Bürgerkriegsparteien haben wie­derholt eine Massenflucht der Bevölkerung ausgelöst. Die Ernährung von Flüchtlingen war dann nur noch von außen möglich. Diese Hilfe wurde von den Bürgerkriegsgegnern zu­sätzlich für eigene Zwecke instrumentalisiert: Hilfsflüge wurden verweigert, Teile von Nahrungsmitteln abgezweigt. Der Hunger selbst wurde so als Mittel der Kriegsführung eingesetzt. Zudem gilt grundsätzlich: die humanitäre Hilfe löst nicht das Problem, das dem Konflikt zugrunde liegt. Und es stellt sich die Frage, ob die enormen Mittel – an anderer Stelle verwendet – nicht mehr Menschenleben retten könnten.

Ein Extrembeispiel schwacher – bzw. schlicht nichtexistenter Staatlichkeit stellt seit Jahren Somalia dar, auch wenn der Aspekt des Ausplünderns natürlicher Ressourcen fehlt. Nach einem hoffnungsvollen Beginn stellt sich bei diesem Land die vitale Frage, ob mit der Re-Etablierung einer demokratisch legitimierten Staatsgewalt auch Maßnahmen der Abrüs­tung von Kleinwaffen, insbesondere bei der Reintegration der verfeindeten Milizen greifen könnten.

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Eritrea und Äthiopien sind ein Beispiel des unsinnigen Einsatzes militärischer Mittel zweier sehr armer Staaten. Im Frühjahr letzten Jahres habe ich bei einem erfolglosen Vermittlungsversuch als Leiter einer EU-Troika den Kriegsparteien prognostiziert, dass sie in der Folge des Krieges eine Hungerkatastrophe bekommen würden. Dann müssten wir wieder helfen und würden von ihnen kritisiert, dass unsere Hilfe nicht ausreiche. Genauso ist es gekommen.

Gemeinsames Charakteristikum dieser Kriege ist, dass sie in der Regel große Bevölke­rungsteile in akute Existenznöte treiben. Verkehrswege sind unterbrochen, der Zugang zu Feldern durch Minen verwehrt. Hunger und Elend werden zur Waffe und können mehr Op­fer fordern als die gewalttätigen Auseinandersetzungen selbst. Dürren und Überschwem­mungen verschärfen die Lage. Die akute Notlage macht dann schnelle Hilfsaktionen unabdingbar, die extrem teuer wer­den (z.B. Lufttransporte). So wird verhindert, dass mit diesen Mitteln im Rahmen einer re­gulären Zusammenarbeit ein Mehrfaches an nachhaltiger Wirkung erzielt wird – ein Teu­felskreis.

Ein aktives Demokratieverständnis ist zentral für die Garantie politischer Rechte, den Schutz auch wirtschaftlicher Freiheiten und die Schaffung eines günstigen Umfelds für Frieden und Entwicklung. Gute Staats- und Regierungsführung, „Gold governance“, kann den Sicherheitssektor nicht ausklammern. Als „Bad governance“ betrachtete Regierungs­führung zeichnet sich zumeist durch Missbrauch oder Abwesenheit eines funktionstüchtigen Sicherheitssektors aus. Gerade wenn die Mehrheit der heutigen bewaffneten Konflikte in­terner Art ist, kommt der demokratischen Kontrolle der Streitkräfte, der paramilitäri­schen Kräfte und der inneren Sicherheitskräfte sowie ihrer Haushalte grundlegende Be­deutung zu.

Als aktiven Beitrag zur angemahnten Reform des Sicherheitssektors hat die Bundesregierung gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag die „Ausstattungshilfe für ausländische Streitkräfte“ neu konzipiert. Nunmehr soll unsere Hilfe darauf ausgerichtet werden, die Fähigkeit der Empfängerländer zur Konfliktverhütung und Friedenserhaltung zu verbessern. Im afrikanischen Raum, auf den wir uns mit dem neuen Ausstattungshilfeprogramm konzentrieren, soll der Gedanke der regionalen Zusammenarbeit sowie der Krisenprävention besonderes Gewicht erhalten. Mit anderen Worten: wir wollen beitragen zur besseren Einbindung der Streitkräfte in den demokratischen Entwicklungsprozess und zur Festigung rechtstaatlicher Strukturen.

Die Bürger haben ein Recht auf Sicherheit und Rechtstaatlichkeit. Das erfordert legitimer­weise Ausgaben für den Sicherheitssektor. Es erfordert aber auch, dass diese Kräfte der wirksamen Führung und Kontrolle durch verfassungsmäßige und demokratisch legitimierte Instanzen unterliegen, und dass diese Instanzen ihre Kontrollfunktion ausüben.

Transparenz und Zugänglichkeit von Informationen über die bewaffneten Kräfte sind wie deren Verpflichtung auf Verfassung, Gesetz und politische Neutralität weitere Elemente eines sinnvollen politisch-militärischen Verhaltenskodex. In der OSZE hat ein solcher zur regionalen Vertrauensbildung wesentlich beigetragen.

Viele Konflikte werden durch die leichte Verfügbarkeit von Waffen, insbesondere Klein­waffen gefördert und erhalten durch sie ihre gewaltsame und entwicklungszerstörende Di­mension. Fast alle internen Konflikte, die nach 1990 weltweit ausbrachen, wurden und werden mit Kleinwaffen ausgetragen. Schätzungen sprechen von über 100 Millionen vagabundierender Waffen. Ihre Opfer sind vor allem Zi­vilisten. Wir können auch nicht die Augen verschließen vor den Berührungspunkten von Schmuggel militärischer Kleinwaffen, Terrorismus, illegalem Diamantenhandel, Drogen­schmuggel, Kriminalität und Gewalt, die ihre eigene zerstörerische Dynamik haben.

Teil einer „Kultur der Prävention“, zu deren Entwicklung UNO-Generalsekretär Kofi An­nan aufgerufen hat, muss daher sein, das Gewaltmonopol demokratisch legitimierter Regie­rung zu sichern und der destabilisierenden Anhäufung von kleinkalibrigen und leichten Waffen umfassend zu begegnen. In den Vereinten Nationen besteht weitgehender Konsens über die Notwendigkeit hierzu, wenn auch noch nicht über die notwendigen Methoden. Es ist daher an der Zeit, dass die Konferenz, die die Vereinten Nationen im kommenden Som­mer durchführen werden, sich nicht nur auf Appelle und Absichtserklärungen beschränkt. Wir brauchen verbindliche Instrumente, die sich der Kleinwaffenproblematik in allen As­pekten annehmen.

In Kürze findet in Bamako die OAU-Ministerkonferenz statt, die eine gemeinsame afrika­nische Haltung für die VN-Kleinwaffenkonferenz 2001 verabschieden soll. ECOWAS, SADC und die ostafrikanische Region suchen bereits engagiert nach Lösungen und sind z.B. mit Moratorien und, in Kooperation mit der EU, mit Kleinwaffenzerstörungen voran­gegangen.

Die Europäische Union hat ihr Angebot zur Kooperation in der von uns initiierten „Ge­meinsamen Aktion zu Kleinwaffen“ vom 17.12.98 präzisiert. Sie schlägt einen differen­zierten Katalog präventiver und reaktiver Maßnahmen gegen die vielfältigen Ursachen des Kleinwaffenproblems vor. Klare Rüstungsexportkriterien, Endverbleibskontrolle und die Unterbindung von illegalem Handel sind entscheidende Punkte.

Dies setzt aber nicht nur Kontrolle der Ausfuhren und der Händler, sondern auch effektive Einfuhrkontrolle der Empfangsstaaten voraus. Der graue Markt ist nach aller Erfahrung die bedeutendste Quelle für destabilisierende Anhäufungen von Kleinwaffen. Es gilt, ihn daher auszutrocknen durch Hilfe bei der vordringlichen Zerstörung der überschüssigen Waffen, sorgfältige Kontrolle der für die Sicherheit benötigten Bestände und regionale Kooperation von Polizei und Zoll zur Bekämpfung illegaler Verschiebungen.

Effektives Einsammeln und Zerstörung der illegalen bzw. überschüssigen Waffen erfor­dert auch Demobilisierung und Reintegration der Ex-Kombattanten sowie Anreize zur freiwilligen Abgabe. Hier liegt ein großes Aufgabenfeld für die Entwicklungspolitik und auch die Vereinten Nationen bei friedensschaffenden oder friedenserhaltenden Missionen. Die Bedeutung solcher Projekte, die man übrigens international mit dem für uns Deutsche verwirrenden Kürzel „DDR“ (Disarmament, Demobilisation and Reintegration) bezeichnet, für den Erfolg und die Nachhaltigkeit von Friedensbemühungen der VN kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Deshalb ist es auch eine der Forderungen des sog. Brahimi-Berichts, künftig in den Mandaten für UNO-Friedenstruppen von vornherein solche DDR-Programme zu verankern. In der Zwischenzeit hat sich bei den Vereinten Nationen eine sog. „Gruppe interessierter Staaten für praktische Abrüstungsmaßnahmen “ gebildet, die den VN-Generalsekretär dabei unterstützt, in konkreten Programmen zur Konfliktnachbearbeitung Waffen in erster Linie gegen Entwicklungshilfe einzutauschen. Erfolgreiche Pilotprojekte laufen in Albanien und in Niger. Deutschland ist besonders aktives Mitglied dieser Gruppe und beteiligt sich konzeptionell und finanziell aus den (von mir erwähnten) Haushaltsmitteln für Krisenprävention und Friedenserhaltung. Für ein solches DDR-Programm unter VN-Ägide in der Zentralafrikanischen Republik haben wir im letzten Sommer auf einer von uns gesponserten Geberkonferenz eine Beteiligung von 1 bis 2 Millionen DM in Aussicht gestellt, und bilateral fördern wir ein ähnliches Programm einer kirchlichen NGO in Mozambik mit dem prägnanten Titel „Schwerter zu Pflugscharen“.

Besitz militärischer Kleinwaffen entspringt einem legitimen Sicherheitsinteresse souverä­ner Staaten. Wir können sie nicht per se verbieten Natürlich kann es die Nachbarn nicht völlig befriedigen, wenn jeder Staat ausschließlich isoliert sein Sicherheitsbedürfnis und seinen Waffenbedarf definiert. Es ist aber sein souveränes Recht. Transparenz durch In­formationsaustausch in der Region hat als Grundlage gemeinsamer sicherheitspolitischer Konsultationen und Bedarfserörterungen einen nicht zu unterschätzenden vertrauensbil­denden Effekt. Rüstungskontrollpolitisches Stabilitätsziel muss ein transparenter, weitge­hend geschlossener Kreislauf zwischen staatlichen Akteuren sein, die ihr Monopol durch innerstaatliche Vorschriften zum Waffenbesitz wie auch durch effektive Transferkontrollen sicherstellen. Militärische Waffen haben in den Händen Pri­vater nichts zu suchen. Ich bin mir allerdings auch bewusst, dass es zur Durchsetzung eines solchen Postulats in manchen Gesellschaften eines langfristigen Bewusstseinswandels be­darf. Auch hier, wie an vielen Stellen zuvor, berühren sich Stabilitäts- und Entwicklungs­konzeptionen.

Die Ächtung einer ganzen Waffenart, der Antipersonenminen, ist uns mit dem Ottawa-Übereinkommen gelungen. Die Konvention ist heute für 107 Staaten in Kraft, weitere 32 Staaten haben gezeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

Der Rückgang der Zahl der Minenopfer und das von Nichtregierungsorganisationen festge­stellte faktische Erliegen des Handels mit Antipersonenminen sind ein großer Erfolg. Trotzdem: noch immer sind für die Armutsbekämpfung nötige Bodenressourcen unzu­gänglich wegen Verminung, noch immer sind Gebiete für Entwicklungsvorhaben schwer zugänglich.

Die Universalisierung des Verbots von Antipersonen-Minen, seine strikte Beachtung durch alle, aber insbesondere die Vertragsstaaten, auch wenn sie konfliktbetroffen durch Rebel­len sind, bleibt eine Aufgabe. Ebenso die vermehrte Anstrengung zur Minenräumung, zur Opferrehabilitierung und zur Vernichtung der Lagerbestände. Deutschland beteiligt sich weltweit aktiv an Minenräumprogrammen. Es gilt weiterzuarbeiten, um diese Geißel aus­zurotten. Auch Minen sind Mittel militärischer Gewalt und politischer Erpressung in den Händen derer, die Bürgerkriege als Herrschaftsinstrument missbrauchen.

Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sind und bleiben unverzichtbare Elemente einer präventiven und kooperativ ausgerichteten Si­cherheitspolitik. Stabilität und Sicherheit sind auf Dauer regional wie global nicht rein mi­litärisch, sondern nur mit Hilfe funktionierender kooperativer Sicherheitsstrukturen zu er­reichen bzw. zu erhalten. Gerade in Regionen, die von jahrzehntelangen Spannungen ge­prägt sind, bieten sie einen Weg zur Auflösung der Interessengegensätze und zur Schaf­fung von mehr Gemeinsamkeiten. Die friedliche Überwindung des Ost-West-Konflikts in Europa ist hier ein Beispiel. Auf der koreanischen Halbinsel ist nach einem halben Jahrhundert der Konfrontation eine Entspannung in Sicht. Die Bundesregierung bietet ihren Rat an, um die gewaltige Aufgabe der Wiederannäherung der beiden koreanischen Staaten und der Schaffung eines tragfähigen Systems der Sicherheit in der Region zu bewältigen.

Der Weg zum Abbau von Spannungen, zur Vermeidung kostspieliger Rüstungswettläufe kann auch in anderen Teilen der Welt durch kooperative Sicherheitsstrukturen wesent­lich gefördert werden. Rüstungswettläufe sind der wirtschaftlichen Entwicklung und Zu­sammenarbeit und damit effektiver Armutsbekämpfung abträglich. Kooperative Sicherheit kann politische und wirtschaftliche Stabilität schaffen, günstige Rahmenbedingungen für Investitionen bieten und transparenzorientierte Rüstungsbegrenzung ermöglichen. Solche Strukturen vermeiden eine Fehlleitung von Ressourcen und stärken die wirtschaftliche Entwicklung in den Staaten der Region.

Der Zusammenhang von globaler und regionaler Sicherheit wird besonders deutlich bei den Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft um Stärkung der Nichtverbrei­tungsregime. Die Proliferation von Massenvernichtungswaffen – horizontal wie vertikal – und ihrer Trägermittel bedroht nicht nur regionale Stabilität und Sicherheit, sondern be­droht sie weltweit. Der mit den Nukleartests in Indien und Pakistan verschärfte nukleare Rüstungswettlauf in Südasien schafft keine Stabilität, sondern neue Sicherheitsrisiken und behindert durch die enorme Ressourcenbindung die Chancen einer noch dynamischeren, auf zivile Ziele konzentrierten Wirtschaftsentwicklung. Er ist anachronistisch, schwächt die Bemühungen der Staatengemeinschaft weltweit um nukleare Abrüstung und Stärkung des nuklearen Nichtverbreitungsregimes.

Aber auch andere weltweite Abrüstungsverträge, zum Beispiel das Verbot der chemischen und der biologischen Waffen, müssen überall Geltung erlangen, umfassend angewendet und zuverlässig verifiziert werden. Chemische und biologische Waffen haben nicht nur einen immens destabilisierenden Ef­fekt, sondern eröffnen neue Dimensionen des Terrors, der vor allem die Zivilbevölkerung trifft. Sie sind zu Recht geächtet.

Entwicklung ist in einer Kultur des Krieges, der Gewalt, der Straflosigkeit und der Intole­ranz nicht möglich. Schaffung kooperativer Sicherheitsstrukturen, Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle, praktische Maßnahmen der Abrüstung schaffen Rahmenbedingungen für erfolgreiche Entwicklung. Abrüstung und Rüstungskontrolle ist daher kein Thema des beendeten Ost-West-Konflikts, sondern ein globales Grundlagen-Thema. Entwicklungs­konzepte können beitragen zu ihrer regionalen Umsetzung, wie der EU-Ratsbeschluss zu Kleinwaffen und Entwicklung aufzeigt.

Abrüstung und Rüstungskontrolle kann aber nicht, insbesondere bei internen Konflikten, die Konfliktursachen bekämpfen. Dies kann nur durch gute Regierungsführung geschehen, die Demokratie, Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit, dem Toleranzgebot und der Ar­mutsbekämpfung durch effektives staatliches und privates Handeln den gebührenden Stel­lenwert in der Politik von Staat und Gesellschaft gibt.