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(2003 beantragte die Firma Siemens, die Hanauer Atomfabriken, die auf Druck der Grünen stillgelegt waren, nach China exportieren zu dürfen. Die Fabriken dienten der Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke, konnten dabei aber auch waffenfähiges Plutonium produzieren. CDU/CSU/FDP unterstützten das Begehren von Siemens. Für die Grünen hielt ich in einer Bundestagrede am 10. Dezember 2003 dagegen. Aufgrund des politischen Drucks zog Siemens 2004 seinen Export-Antrag zurück. Plenarprotokoll 15/81)

 

Die Lieferung der Hanauer Atomfabrik verstößt gegen die Philosophie des Atomausstiegs und gegen die Philosophie des Atomsperrvertrages. Das ist der Grund dafür, dass dieser Export nicht die politische Zustimmung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bekommen kann.

Allerdings bedarf es für den Export nicht einer politischen Entscheidung – das ist uns bewusst –; es gibt vielmehr ein privatwirtschaftliches Verfahren. Die deutsche Firma, die den Exportantrag gestellt hat, hat ein Recht darauf, dass ihr Begehren bewilligt wird, es sei denn – dafür gibt es klare gesetzliche Vorgaben –, es werden bestimmte Bestimmungen im Außenwirtschaftsgesetz berührt, die den Export deshalb verbieten, weil zum Beispiel das friedliche Zusammenleben der Völker gefährdet sein könnte. Das muss man ernsthaft prüfen. Wir sind der Meinung, dass die Menschenrechte in China trotz des wirklich effektiven Rechtsstaatsdialogs noch nicht in dem Maße gewahrt werden, dass man vollständig Entwarnung geben könnte.

Herr Gerhardt, Sie haben für die FDP-Fraktion den Antrag eingebracht, dass das EU-Waffenembargo nicht aufgehoben werden soll. … – Richtig, sagen Sie. – Wenn Sie sich näher mit dem EU-Waffenembargo beschäftigen, stoßen Sie auf den EU-Exportkodex. In Anhang 1 des EU-Exportkodexes ist unter den so genannten Dual-Use-Gütern die Hanauer Fabrik explizit aufgeführt. Das heißt, dass Sie, wenn Sie gegen die Aufhebung des Waffenembargos sind, implizit auch gegen den Export der Hanauer Fabrik sind. Das wäre konsequent. Sie können aber nicht fordern, dass der Export stattfinden kann, und gleichzeitig, dass das Waffenembargo bestehen bleibt. Die Politik der FDP in dieser Frage ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Studieren Sie erst einmal die Rechtslage, bevor Sie sich solche politischen Urteile zutrauen!

Selbst wenn das EU-Embargo aufgehoben werden sollte, gelten noch immer die Bestimmungen des Atomsperrvertrages. Es ist im Rahmen des Entscheidungsprozesses über den Export zu prüfen, ob einige dieser Bestimmungen einschlägig sind, und zwar in dem Sinne, dass die Vorgabe des Außenwirtschaftsgesetzes, dass das friedliche Zusammenleben der Völker nicht verletzt wird, dadurch nicht berührt ist. Aber auch bei dieser Frage gibt es einige berechtigte Zweifel. Zumindest fragen wir Grünen, ob mit dem Export nicht bestimmte Risiken eingegangen werden. Wir verlangen, dass diese Risiken geprüft werden.

Ich komme auf ein Risiko zu sprechen. Kollege Loske hat gerade zu Recht darauf hingewiesen, dass die Hanauer Fabrik für sich genommen mit Blick auf eine Atomwaffenproduktion nicht gefährlich ist. Aber zusammen mit dem Schnellen Brüter, der in China in nicht allzu ferner Zeit in die Testphase gehen wird, könnte sie potenziell zu einer Gefährdung werden. Ich spreche von potenziellen Gefährdungen und unterstelle China unter der jetzigen Führung keine böse Absicht. Aber wenn wir über Sicherheitspolitik reden, insbesondere über Atomstrategien, dann geht es nicht um den subjektiven Willen, sondern um objektiv vorhandene Kapazitäten; das weiß jeder Sicherheitspolitiker.

Wir befürchten, dass objektiv gesehen Kapazitäten geschaffen werden könnten. Das wird im Ausland möglicherweise so perzipiert. Es stellt sich also die Frage, wie das im Ausland wahrgenommen wird. Sie wissen, dass auch Fehlperzeptionen Realität werden können. Schauen Sie sich die Situation von vor drei Jahren an, als wir über die Lage in Taiwan diskutierten und besorgt darüber waren, dass es wegen der Taiwanfrage zu einer Verstimmung zwischen den USA und China kommen könnte. Wir alle haben damals gehofft, dass dieser Konflikt nicht eskaliert und dass die chinesische militärische Drohung gegenüber Taiwan nicht zu einer großen transpazifischen Verstimmung führt, wie es sie in den 70er und 80er-Jahren im transatlantischen Verhältnis gab. Wir alle haben inständig gehofft, dass die Verstimmung, sollte es doch zu ihr kommen, nicht atomar aufgeladen wird.

Vor dem Hintergrund dieser Befürchtungen bitte ich Sie: Prüfen Sie einmal die Frage, was es bedeutet, wenn die objektiven Kapazitäten in China für die Erweiterung eines militärischen Nuklearprogramms geschaffen werden könnten! Das ist nämlich unsere Befürchtung. Diese Befürchtung kann man auch in einer anderen Richtung haben. Wir wissen: China steht mit seinen Atomwaffen in einem Dreiecksverhältnis zu Indien und Pakistan. Der gesamte Raum lädt sich atomar auf. Wie wird Indien reagieren, wenn China größere Kapazitäten hat? Wie wird Pakistan dann auf Indien reagieren? Wie wird der Iran, wo es gerade zu einer Eindämmung kommt, auf Pakistan reagieren? Wie wird Israel reagieren, wenn der Iran seine Verpflichtungen doch nicht einhält?

Herr Brüderle, diese sicherheitspolitischen Überlegungen können Sie mit Ihrem Geschäftssinn nicht einfach abtun. Ich sage gar nicht dogmatisch, dass wir mit unseren Befürchtungen Recht haben. Wir fordern von der Bundesregierung ein, dass sie diese Punkte in ihrem Prüfungsverfahren sehr genau prüft. Falls sie nicht triftig sind, dann steht dem Export nicht viel im Wege. Es kann aber durchaus sein, dass es anknüpfend an diese Befürchtungen notwendig sein muss, ein Safeguard-Regime zu errichten, das über das hinausgeht, was China von der Internationalen Atomenergiebehörde im Moment abverlangt wird. Das wäre schon ein gewisser Erfolg. Aus vielen Gründen, die hier dargestellt worden sind, wäre es aber die bessere Lösung, diese Anlagen überhaupt nicht zu produzieren. Am allerbesten wäre es, Siemens zöge den Antrag zurück.