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(Bericht über die Gründung der grün-alternativen Gruppe bei der parlamentarischen Versamlung der OSZE an den Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen vom 27. August 1998, bisher unveröffentlicht)

Als sich die KSZE 1991 zur OSZE wandelte, schuf sie neben anderen Strukturreformen eine Parlamentarische Versammlung, die einmal pro Jahr zusammentreten sollte. Die Versammlung setzt sich aus Parlamentsdelegationen der 56 Teilnehmerstaaten zusammen, wobei die Bevölkerungszahl der Länder einen proportionalen Einfluss auf die Größe der jeweiligen Delegationen besitzt. Bisher gab es sieben Versammlungen.

Nachdem vereinzelt auch Grüne als Mitglieder ihrer nationalen Delegationen an den Versammlungen teilgenommen hatten, trafen sich 1995 Jean Hus von den Luxemburger, Doris Pollet-Kammerlander von den Österreichischen und ich selbst von den deutschen Grünen bei der Jahrestagung in Ottawa, um Möglichkeiten einer Grünen Kooperation quer zu den nationalen Delegationen zu besprechen. Im Jahr darauf bei der Tagung in Stockholm bildete sich formell die „Grüne und Alternative Gruppe bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE“. Sie wurde neben der konservativen, der sozialdemokratischen und der liberalen Gruppierungen die vierte Parteigruppierung mit offiziösem Status.

Offiziös sind die Gruppen deshalb, weil die Versammlung im Prinzip nach nationalen Delegationen und nicht nach politischen Richtungen strukturiert ist. Bei der Grün-Alternativen Gruppe wie auch bei anderen Gruppierungen gibt es aber Bestrebungen, die internationale weltanschaulich orientierte Zusammenarbeit quer zu den nationalen Delegationen zu verstärken. Dieser Weg, der die nationale Frage in den Hintergrund drängen soll, scheint aussichtsreich zu sein; zumindest ist für die Zukunft eine Stärkung der politischen Gruppen im Gefüge der OSZE vorgesehen.

Die Grün-alternative Gruppe konnte sich von Beginn an nicht nur auf Mitglieder Grüner Parteien beschränken. Nach den Statuten der Parlamentarischen Versammlung sind für das Einreichen von Änderungsanträgen zu den von einem „Rapporteur“ vorgeschlagenen Resolutionen fünf Abgeordnete aus zwei verschiedenen Ländern als Minimum vorgesehen. Eine Eingrenzung unserer politischen Gruppe auf Mitglieder rein Grüner Parteien hätte dieses Quorum nicht mit Sicherheit erreicht. Von daher war es naheliegend, die Abgeordneten einzubeziehen, die als Mitglieder Rot-Grüner oder kleiner Linksparteien eine ähnliche Stoßrichtung verfolgen. Im politischen Gesamtspektrum der Versammlung liegen die Grünen und die kleinen Linksparteien so nah beieinander, dass die Differenzen praktisch keine Rolle spielen. So wurden in Stockholm kleine Linksparteien aus Norwegen und Zypern einbezogen, die gemeinsam mit den Grünen die Grün-Alternative Gruppe bildeten.

Diese Konstruktion allerdings hatte eine Entwicklung zur Folge, die politisch nicht leicht einzuschätzen ist. Ein Teil der Abgeordneten kleiner Linksparteien, die den Grünen im Prinzip nahestehen, pflegen auch politische Kontakte zu euro-kommunistischen Parteien und legen Wert darauf, deren Abgeordnete, die keine eigene Vertretung in der Versammlung haben, miteinzubeziehen. Wir haben diesen Abgeordneten (etwa von der KPF oder der PDS Italiens) Beobachter-Status eingeräumt. Dennoch kommt es immer wieder zu Statusdiskussionen mit der Perspektive, eine Sammlungsbewegung aller Linksparteien, grüner wie kommunistischer zu konstituieren. Einer solchen Festlegung sind wir bisher ausgewichen, da über die Kooperationserfordernisse auf der Versammlung hinaus die bekannten ideologischen Unterschiede zu KPs existieren.

Abgesehen von der KP-Frage sollte die Kooperation mit kleinen Linksparteien in der Versammlung Anlass dafür sein, auch in anderen Organisationen oder auf der Ebene der „europäischen Föderation grüner Parteien“ die Zusammenarbeit mit diesem Spektrum neu zu überdenken. Aus der Perspektive der OSZE-Arbeit jedenfalls wäre es wünschenswert, wenn es zu einer Öffnung käme.

Im Übrigen sei angemerkt, dass an den Sitzungen, die die Grün-Alternative Gruppe regelmäßig abgehalten hat, auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen teilgenommen haben.

Die Arbeit der Grün-Alternativen Gruppe hat einige bemerkenswerte Erfolge zu verzeichnen. Durch verschiedene Änderungsanträge konnten wir in den drei Ausschüssen der Parlamentarischen Versammlung – dem Ausschuss für Sicherheitspolitik, dem Ausschuss für Wirtschaftsfragen und dem Ausschuss für Menschenrechtsfragen – deutliche Akzente setzen. In der normativen Diskussion über wirtschaftspolitische Leitlinien, die insbesondere auf die Transformationsstaaten zielen, konnten wir ökologische Standards systematisch verankern. Auch in der Menschenrechtsdiskussion konnten wir immer wieder den Blick auf Missstände richten.

Besonderen Einfluss aber hatte die Gruppe ausgerechnet in der Außen- und Sicherheitspolitik. Während viele Grüne Parteien auf der nationalen Ebene – insbesondere wir deutschen Grünen – die Erfahrung machen, dass ihre Anträge von der meist konservativen Mehrheit zurückgewiesen werden, fanden sich in der Parlamentarischen Versammlung oft Mehrheiten für unsere Positionen in wichtigen Fragen. So haben wir es in Stockholm geschafft, die Forderung nach Einrichtung Atomwaffen freier Zonen, die von NGOs an uns herangetragen worden waren, in der Versammlung teilweise gegen deutlichen Widerstand durchzusetzen. Deutliche Mehrheiten bekamen wir auch für unseren Antrag, die Produktion und Verwendung von Landminen zu ächten.

Bemerkenswerte Abstimmungserfolge hatten wir auf der jüngsten Tagung in Kopenhagen. Zum einen gelang es dort, die Versammlung zur Befürwortung der Einrichtung ziviler Friedensdienste auf nationale Ebene zu legen. Die OSZE erkennt nun an, wenn Nationalstaaten neben dem militärischen Apparat und dem diplomatischen Dienst als dritte Säule einen zivilen Friedensdienst aufbauen, den sie für OSZE-Missionen zur Verfügung stellen können. Damit wird die Angebotspalette für alle Länder verbreitert und denen, die sehr zurückhaltend sind mit militärischen Beteiligungen, eine weitere Möglichkeit gegeben, ihrer internationalen Verantwortung gerecht zu werden.

Gegen gewisse Widerstände konnte es in Kopenhagen auch erreicht werden, dass die Versammlung sich dafür aussprach, die Regierungsseite dringend aufzufordern, die begonnene Arbeit an einer europäischen Sicherheitscharta mit Hochdruck weiter zu verfolgen und die Ergebnisse einer öffentlichen Diskussion zugänglich zu machen.

Besonders bemerkenswert war unser Erfolg bei den Abstimmungen zur Kosovo Krise. Sowohl was die politische Zielsetzung angeht als auch die Drohpotentiale, setzte sich die von uns eingebrachte Linie durch. Bezogen auf die Zielsetzung gab es in der Versammlung eine extrem große Spannbreite: während einzelne Länder dafür plädierten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Jugoslawiens einzumischen, forderten andere Länder die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo. Dazwischen gab es eine Reihe von graduell unterschiedlichen Anträgen. Wir brachten einen Antrag ein, der eine erweiterte und verstärkte Autonomie des Kosovo forderte, diese aber genauso deutlich im territorialen Rahmen der Bundesrepublik Jugoslawiens angesiedelt sehen wollte. Nachdem sich in der Diskussion herausstellte, dass dieser Ansatz offensichtlich der Mehrheitsmeinung entsprach, wurden konkurrierenden Anträge zurückgezogen und unser Antrag wurde als der Konsensantrag der Versammlung verabschiedet.

Ähnlich verlief die Abstimmung über die Frage, ob ein eventueller Nato-Einsatz in Kosovo eines UNO-Sicherheitsratsbeschlusses als Legitimation bedürfe. Auch hier gab es die bekannte Spannbreite. Während einzelne Länder gegen jegliche Form der Intervention optierten, forderten andere Länder ein Eingreifen der NATO ohne UNO-Sicherheitsratsbeschluss. In der hochstrittigen Diskussion vertraten wir einen Antrag, der darauf beharrte, dass – wenn überhaupt ein Nato-Einsatz politisch notwendig sein sollte – dieser nur auf der Basis eines UNO-Sicherheitsratsbeschlusses eingeleitet werden könnte. Nach längerer kontroverser Diskussion zogen allen anderen Antragsteller ihre Anträge zugunsten unseres Entwurfes zurück, so dass die Grün-Alternative Gruppe auch in diesem Punkt die Konsensmeinung der Versammlung formulierte.

Diese Beispiele mögen genügen, um zu demonstrieren, dass die Arbeit in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE aus Grüner Sicht außerordentlich viel Sinn macht. Diese Bemerkung ist mit dem Plädoyer an alle Grünen Parteien verbunden, so sie sich in nationalem Parlament befinden, darauf zu dringen, dass einer ihrer Vertreter/Innen einen Platz in der jeweiligen nationalen Delegation zur Versammlung erhält. Leider sind zwischenzeitlich Kolleginnen und Kollegen, die in der Anfangsphase dabei waren, aufgrund der Schwäche ihrer Partei oder aufgrund von Umstrukturierungen herausgefallen, wie die Freunde aus Italien oder Norwegen.

Des Weiteren möchte ich, wie eingangs bemerkt, vorschlagen, darüber zu diskutieren, ob die Parteien, mit denen wir auf der OSZE-Ebene kooperieren, auf der Ebene der Föderation nicht zumindest als Beobachter eingeladen werden sollten. Ich weiß von einigen Kollegen, dass sie dies sehr begrüßen würden, sie fühlen sich oft in ihrer kleinen Gruppe auf nationaler Ebene isoliert und sind angewiesen auf internationale Zusammenarbeit. Zudem ist zu hoffen, dass – wenn eine solche Kooperation in Gang gekommen ist – sich die politischen Positionen der kleinen Linksparteien möglicherweise in die grüne Richtung verschieben. Zum anderen ist auch nicht auszuschließen, dass diese ihrerseits Positionen zur Diskussion beisteuern können, die Einfluss auf unsere Programmarbeit gewinnen. Zum Schluss möchte ich anregen, dass der jeweilig amtierende Vorsitzender der Grün-Alternativen Gruppe in der OSZE Versammlung ebenso wie die Vorsitzenden anderen Parlamentsfraktionen auf nationaler oder europäischer Ebene zur Versammlung der Föderation eingeladen werden.