(Nach den grün-internen Klärungen zur Deutschlandpolitik und zur Kooperation mit den ehemaligen DDR-Oppositionellen traten einige führende Mitglieder der grünen Parteilinken zur SED-Nachfolgepartei PDS/Linke Liste über. Zur grünen Bundesdelegiertenkonferenz in Bayreuth am 19. September 1990 formulierte ich folgende Erklärung dazu für das verbleibende „Linke Forum in den Grünen“, das ich zwei Jahre zuvor mit ins Leben gerufen hatte.)
Die Austritte – bedauerlich und unverständlich
Wir sind von den Übertritten einiger KollegInnen vom Linken Forum zur PDS/LL überrascht worden. Sie haben uns gegenüber nicht die geringsten Andeutungen über ihre Pläne gemacht. Allerdings hatten wir seit langem erhebliche Differenzen: wir wollten von links her integrativ in die Partei hineinzuwirken. Sie hielten dies für unerquicklich und favorisierten linke Kooperationen über die grüne Parteigrenze hinaus. Wir finden ihren Abgang gleichermaßen bedauerlich wie auch unverständlich und irrational.
Die Begründungen – fadenscheinig und flau
Der Verweis auf absonderliche Äußerungen aus dem Bonner Fraktionsvorstand als Beleg für einen Rechtsruck der gesamten Partei ist ein fadenscheiniger Vorwand. Es war immer auch ein Verdienst der aufgeklärten Linken, dass sich ideologisch rechte Tendenzen, die es bei einzelnen Parteigruppierungen immer mal wieder gab, nicht entfalten konnten. Nur in dem Maße, wie Aufklärer sich aus der Partei zurückziehen, könnten solche wirren Positionen echten Einfluss gewinnen. So könnte das, was den Austritten als Begründung dient, letztlich deren Folge werden. Aber selbst das wird nicht geschehen.
Die letzten Monate haben bewiesen, dass undogmatische, links-ökologische und (mit einigen Abstrichen) auch feministische Positionen trotz massivster Angriffe von innen und außen ein prägendes Gewicht für die Parteientwicklung behalten haben: Die Abwehr der Spaltungsstrategie, das Wahlprogramm, die BuVo-Wahl, die Besetzung der Landeslisten, die Erarbeitung von Umbau- und Weltwirtschaftsprogramm sind Belege dafür. Unterlegen sind linke Positionen dort, wo sie (bewusst?) sektiererisch formuliert wurden.
Die Zielsetzungen – abenteuerlich und geschmacklos
Eine Kritik an den Grünen von links her müsste eine Zusammenarbeit mit der PDS glatt ausschließen. Diese hat nichts, aber auch Garnichts vorzuweisen, was avantgardistischer wäre als das grüne Projekt. Das gesamte Milieu von PDS – sieht man von einem recht kleinen Personenkreis ab – ist traditionalistisch, rechts-sozialdemokratisch, patriarchalisch geprägt. Auch wenn jetzt fleißig aus grünen Programmen abkopiert wird, müssten doch gerade Linke sich eher angewidert fühlen von solch oberflächlicher Mimikry.
Auch das geäußerte Motiv, sich eventuellen Koalitionszwängen entziehen zu wollen, wird enttäuscht werden. Falls PDS/LL wider Erwarten eine echte Position im Bundestag beziehen sollten, werden sie sich denselben strategischen Fragen stellen müssen, die die Grünen ständig quälen. Es gibt daraus kein Entrinnen, nur Zeitverlust. Es ist absurd: während wir Grüne in der nächsten Periode frivol reine Oppositionsarbeit gegen eine Große Koalition machen können, begeben sich Leute, weil sie die Oppositionsrolle der Linken retten wollen, in eine Partei, die sich heute schon unerträglich bei der SPD anbiedert. (Tatsächlich wurden einige Jahre später einige der Überläufer Senatoren oder hohe Regierungsvertreter in der rot-roten Koalition in Berlin.)
Die flinken Versuche der PDS, sich ein neues Programm zuzulegen, beweisen nicht den Willen, stalinistische Altlasten zu bewältigen, sondern das Gegenteil. Der Eigenanspruch der Linken Liste, quasi als Bewährungshelferin tätig zu werden, führt sich ad absurdum, wenn der Einzug der PDS in den Bundestag als Voraussetzung statt als Folge ernsthafter Umkehr gesehen wird. Ohne intensive Aufarbeitung der Vergangenheit wird die schnelle Anpassung an den fortgeschrittenen links-grünen Diskurs zum Mittel reinen partiellen Machterhalts.
Dem dient auch die Gründung der Linken Liste, einem traditionalistischen Personenbündnis. Die Hoffnungen unserer alten FreundInnen, über die LL eine eigenständige linkssozialistische Formation aufbauen zu können, dürften scheitern. Das Geld kommt von der PDS und wer zahlt, spielt die Musik. Schon heute betreibt die PDS massive Scheckbuchpolitik. Wie kann jemand die Grünen von links her kritisieren wollen, sich aber gleichzeitig einkaufen lassen mit Geld, das zu einem großen Teil von einer Staatspartei dem Volke abgepresst wurde oder aus den Schiebergeschäften von Schalck-Golodkowski stammt?
Die Wirkungen – gefährlich bis langweilig
Die LL hat keine Chance, über 5 % zu kommen, könnte uns aber entscheidende Punkte für den Wiedereinzug in den Bundestag abnehmen. Das Ergebnis wäre das Drei-Parteien-System, gegen das wir die Grünen gegründet haben. Ein Rückfall um 10 Jahre und mehr. Diese Politik von PDS/LL bringt nicht die Linke weiter, sie hält den linken Betrieb nur auf, der seit der Entdeckung der ökologischen Frage – nicht taktisch, sondern aus theoretisch-strategischer Einsicht – nur über die Grünen laufen kann. Grüne und PDS/LL sind Fressfeinde.
Es ist aus linker Sicht absurd, dass die Partei, die in der DDR auf der ganzen Linie gescheitert ist, nun Geltungsansprüche für Gesamtdeutschland aufstellt. Und es ist absurd, wenn Linke in dem Bemühen, dem schlechtesten politischen Projekt der DDR aus dem Sumpf zu helfen, das beste politische Projekt der BRD aufs Spiel setzen.
Unsere Konsequenz – weiter in den Grünen
Wir werden weiterhin als Linke in den Grünen und als Grüne in der Linken arbeiten. Wir werden die links-ökologischen und feministischen Positionen stärken und dafür sorgen, dass die positiven Elemente der sozialistischen Ideenwelt weiterhin für die grüne Politikentwicklung nutzbar gemacht werden. Deshalb werden wir auch versuchen, unsere FreundInnen zurückzugewinnen. Wir werden auch in Zukunft daran mitarbeiten, aus der ehemaligen Protestpartei eine Konzeptpartei zu machen, die inhaltliche Radikalität und Pragmatismus bei der Umsetzung miteinander verbindet. Es gibt keine echte Alternative zu den Grünen.