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(Am 7. Mai 1998 debattierte der Bundestag über die Einführung einer sogenannten „Tobin-Steuer“, einer Transaktionssteuer für grenzüberschreitende Kapitalströme. Zugrunde lag ein Antrag der PDS/Linkspartei. Ich plädierte für die Einführung dieser Steuer, wies aber darauf hin, dass die Grünen diese bereits Mitte der 1980 Jahre befürwortet und zu Beginn der 1990er Jahre in den Bundestag eingebracht hatten – eine meiner Initiativen im Bereich Weltwirtschaft. PlPr.13/235)

 

… Ich will einige Dinge zur Begründung der Einführung der Tobin-Steuer sagen. Frau Höll, ich finde es ja gut, dass auch Sie dieses Thema angesprochen haben. Wenn Sie aber die Geschichte der letzten Wahlperioden studieren, dann werden Sie feststellen, dass die Grünen bereits 1985 in einem ihrer allerersten Anträge die Einführung der Tobin-Steuer gefordert haben. … Ansonsten freue ich mich natürlich, dass wir an einem Strang ziehen.

Das Problem wird uns nicht verlassen, auch dann nicht, wenn der Bundestag heute, wie anzunehmen ist, unseren Vorstoß wieder einmal mit einer schlechten Begründung zurückweist, wie ich den Berichten der Berichterstatter entnommen habe. Die Probleme, auf Grund derer wir die Einführung der Tobin-Steuer vorschlagen, sind nicht beseitigt. Seitdem das Bretton-Woods-System mit seinen festen Wechselkursen gescheitert ist, ist die Spekulation nicht etwa, wie man dachte, zurückgegangen. Vielmehr hat die Volatilität zugenommen. Dies hatte Auswirkungen, wie wir jetzt in Südostasien haben sehen können. Ganze Volkswirtschaften stehen in der Gefahr zusammenzubrechen, mit all den Folgewirkungen vor allen Dingen für die sogenannten kleinen Leute, für die ärmeren Einkommensschichten. Die Rückwirkungen auf die Volkswirtschaften der Industrieländer sind unübersehbar.

Wir meinen, dass es höchste Zeit wird, dass die Politik gegenüber den entfesselten Kapitalmärkten, die nicht nur in der Dritten Welt, sondern zunehmend auch in den Industrieländern Unheil anrichten, endlich Spielräume zurückgewinnen muss, um steuernd einzugreifen. Die Tobin-Steuer gebietet einen solchen Ansatzpunkt. Sie ist ein marktkonformes Steuerungsinstrument. Sie verteuert kurzfristige Spekulationen und ist von daher geeignet, Kapitalanlagen in langfristige Investitionen umzuleiten. Wer hier im Bundestag über die Schaffung von Arbeitsplätzen spricht – dies ist die innenpolitische Hauptaufgabe -, muss sich darüber Gedanken machen, wie Investitionen in kurzfristige Spekulationen in Investitionen in langfristige Anlagen umgelenkt werden können. Das kann mit der Tobin-Steuer erreicht werden.

Damit wird ein Zweites erreicht. In dem Moment, in dem die Volatilität auf den Kapitalmärkten nachlässt, weil sich die Zinsmargen annähern, und die Zinsspekulation nachlässt, werden Investitionen sicherer. Zugleich werden die Kapitalkosten zur Absicherung von Investitionen sinken, so dass die Belastungen gerade der kleinen und mittelständischen Unternehmen mit geringer Kapitaldecke im Außenverkehr reduziert werden. Auch dies trägt dazu bei, die Arbeitsplatzsicherheit zu erhöhen. Wer hier immer davon spricht, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden müssen, um die Kapitalseite zu entlasten, der muss mit demselben Argument, mit mindestens der gleichen Vehemenz die Einführung der Tobin-Steuer unterstützen.

Die Implementierung einer solchen Steuer ist alles andere als schwierig. Die G-7-Länder und vielleicht noch Singapur und Hongkong bräuchten dies nur zu beschließen. Man kann – das ist unser Vorschlag – auch die IWF-Statuten in diesem Sinne ändern. Es ist ohnehin Aufgabe des Internationalen Währungsfonds, den internationalen Kapitalverkehr zu kontrollieren. Wir plädieren für diesen Weg der Re-Regulierung der Kapitalmärkte. Wir prophezeien: Wenn dieses kleine, gar nicht besonders radikale marktförmige Instrument heute nicht angewendet wird, dann werden Sie in zehn Jahren zu ordnungspolitischen Maßnahmen greifen müssen, von denen Sie heute noch nicht träumen.